Karlsbad

Das Weltbad Karlsbad

David Becher (1725–1792)

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DAVIDI BECHER HIPPOCRATI THERMARUM CAROLINARUM – also „David Becher, dem Hippokrates von Karlsbad“ lautete die Inschrift auf dem am 15. Oktober 1856 in der Sprudelkolonnade enthüllten Denkmal, das die Karlsbader Ärzteschaft ihrem berühmten Kollegen widmete. Die ehrenvolle Bezeichnung geht zurück auf seinen ersten Biographen, den Karlsbader Badearzt Jean de Carro.

David Becher wurde am 19. Feber 1725 im Hause „Zwei Ketten“ geboren. Er entstammte einer der ältesten Karlsbader Familien, die auf einen 1570 aus Heinrichsgrün zugewanderten Georg Becher zurückgeht. Verzweigt in mehrere Linien hat sie im Laufe der Jahrhunderte eine Reihe angesehener und bedeutender Karlsbader Bürger hervorgebracht.

Nach dem Besuch des Piaristengymnasiums in Schlackenwerth zog David Becher mit 19 Jahren an die Universität zu Prag, um Philosophie und Medizin zu studieren. Als „Bohemus Carolo-Thermensis Medicinæ Candidatus“ wurde er am 7. September 1751 zum Doktor der Medizin promoviert. Er ging zunächst nach Wien, wo er seine medizinischen Kenntnisse in Spitälern und als praktischer Arzt vertiefen konnte. Im Jahre 1756 kehrte Becher in seine Heimatstadt zurück, um dort bis an sein Lebensende als Badearzt zu wirken. Durch den guten Ruf, den er sich als hervorragender Arzt in Wien erworben hatte, war er in Karlsbad ein vor allem beim österreichischen Adel beliebter und gefragter Badearzt. Dies erregte bald den Neid älterer, weniger erfolgreicher Kollegen.

Neben seiner jahrzehntelangen erfolgreichen ärztlichen Tätigkeit war Becher an allem interressiert, was mit den Karlsbader Quellen, vor allem mit dem Sprudel zusammenhing. Er untersuchte die physikalischen und chemischen Eigenschaften der Thermalwässer, den Sprudelstein und das Sprudelsalz; bei den gelegentlichen Sprudelausbrüchen versuchte er, die Ursprünge des Sprudels zu ergründen.

Seine ersten Forschungsergebnisse veröffentlichte Becher 1766 in dem Werk Neue Abhandlung Vom Carlsbad. Erster Theil. Chymische und physicalische Untersuchung der Carlsbader warmen Quellen. Darin gibt Becher als erster die Temperatur des Sprudels mit 165° Fahrenheit (gleich 73,9° Celsius) an, ein Wert, der nur geringfügig vom heutigen abweicht – ein überzeugendes Beispiel seiner Experimentierkunst. Weiter gelang ihm der Nachweis, daß der bei kalten Mineralquellen gut bekannte „mineralische Geist“ auch in den heißen Karlsbader Quellen vorkommt. Dabei handelt es sich um das Gas Kohlendioxid (in Wasser gelöst als „Kohlensäure“ bezeichnet), das Becher als einen wesentlichen Bestandteil des Thermalwassers erkannte, der sich jedoch beim Abkühlen verflüchtigt. Dies wiederum hat das allmähliche Ausfällen der gelösten mineralischen Stoffe zur Folge, die dann beim Trinken nicht mehr aufgenommen werden können und somit unwirksam werden.

Während bis dahin den Kurgästen das Quellwasser in Krügen nach Hause gebracht und häufig kalt getrunken wurde, rät Becher nunmehr, „daß die Brunnengäste den Sprudel bey dem Quell selbst trinken sollten; ... denn man kann nicht glauben, was für ein Unterschied der Wirkung alsdenn erfolge”. Auch in anderen Heilbädern war man zu dieser Erkenntnis gelangt, die zu einer geradezu revolutionären Veränderung des gesamten Kurwesens führte. Da das Wassertrinken direkt bei den Quellen sich nach und nach durchsetzte, mußten Trinkhallen errichtet werden zum Schutz der Kurgäste vor Wind und Wetter. Bereits 1774 wurde der Sprudelsaal und 1792 die erste Wandelhalle beim Neubrunn erbaut. Die zahlreichen Brunnenkolonnaden in Karlsbad gehen so direkt auf David Bechers neue Trinkvorschrift zurück.

Im Jahre 1789 erschien Bechers Opus magnum Neue Abhandlungen über das Karlsbad. Dieses in drei Teile gegliederte Werk enthält auf mehr als 500 Seiten alles, was man gegen Ende des 18. Jahrhunderts über Karlsbad und seine Heilquellen wußte und wissen konnte. Bechers Gelehrsamkeit, sein Gedankenreichtum, seine Beobachtungsgabe und seine präzise, schnörkellose Sprache können auch einen heutigen Leser noch faszinieren.

Seit dem 17. Jahrhundert wurde Sprudelsalz durch Eindampfen von Quellwasser erzeugt. Kritisch beargwöhnt von den Karlsbadern, die durch den Verkauf des Sprudelsalzes einen Rückgang des Kurbesuchs befürchteten, durfte es nur in kleinen Mengen in den Apotheken verkauft und nicht ausgeführt werden. Becher erkannte, daß Sprudelsalz auch ohne die kostspielige Holzbefeuerung der Verdampfungskessel erzeugt werden kann, wenn die Eigenwärme des Sprudelwassers für den Verdampfungsprozeß genutzt wird. Diese viel effizientere Methode gegen die Vorurteile der Karlsbader Bürger durchzusetzen bedeutete für Becher einen jahrzehntelangen Kampf, den er unter größten Widerständen, ja sogar unter Gefahr für Leib und Leben zu bestehen hatte.

Ermutigt durch seinen Kurpatienten Graf Rudolph Chotek, den damaligen Statthalter in Böhmen, begann Becher 1764 mit der Gewinnung von Sprudelsalz nach seiner neuen, kostengünstigen und sehr effektiven Methode. Zwar hatte er durch ein kaiserliches Hofdekret dafür die Erlaubnis erhalten, aber für Bürger und Magistrat war die Herstellung von Sprudelsalz in größeren Mengen und vor allem der Verkauf nach auswärts ein geradezu unerhörter Vorgang.

Noch im Jahre 1783 richtete die Karlsbader Bürgerschaft ein Gesuch an die Österreichisch-böhmische Hofkanzlei, Becher die Sprudelsalzgewinnung zu untersagen. Mit einer wenig schmeichelhaften Empfehlung wurde das Gesuch dem Kaiser zur Entscheidung vorgelegt: „Da die Karlsbader Bürgerschaft von ihrem irrigen Wahn nicht abzubringen ist, so möge zur völligen Überzeugung ihres Irrsinns der freie Salzverschleiß einstweilen auf etwa 3 Jahre eingestellt werden.“ Der aufgeklärte Kaiser Joseph II. wies den Antrag ab. Ruhe kehrte erst ein, als wenig später die Zahl der Kurgäste stark zunahm und 1785 bereits das Vierfache der Zahl von 1782 erreicht hatte.

Neben seiner umfangreichen ärztlichen Tätigkeit bildete die Sprudelsalzgewinnung für Becher die Grundlage seines großen Vermögens; nach seinem Tode wurde sie für die Stadt selbst eine nie versiegende Einnahmequelle.

Bechers Mildtätigkeit Armen und Bedürftigen gegenüber war weithin bekannt. Die Gründung einer Hauptschule in Karlsbad, mit Mitteln aus der Sprudelsalzkasse ausgestattet und unterhalten, geht auf ihn zurück.

Zu den größten Verdiensten um seine Vaterstadt gehört zweifellos der erste Theaterbau in Karlsbad, errichtet 1787/88. Er wurde von Becher allein mit privaten Mitteln finanziert, der Stadt entstanden keinerlei Kosten. In Anwesenheit des Stifters wurde das Haus am 22. Juli 1788 mit Mozarts „Die Hochzeit des Figaro“ eröffnet. Dies war einer der wenigen Momente in seinem Leben, wo ihm Dank und Anerkennung der Stadt uneingeschränkt zuteil wurden.

Becher starb ohne leibliche Nachkommen am 5. Feber 1792 in seinem Hause „Zur Sklavin“, das gegenüber der Johannisbrücke auf dem späteren Dr. David Becher-Platz stand.